
Heilsames Schreiben – Die Praxis des Schreibens therapeutisch nutzbar machen
Die eigenen Gedanken und Gefühle zu Papier zu bringen, bietet unter anderem die Möglichkeit, Klarheit in bestimmten Situationen zu erlangen, besser loslassen zu können sowie durch Selbstreflexion neue Ansätze für die eigene Weiterentwicklung zu finden. Das, was in unserem Kopf herumschwirrte, liegt, nachdem es aufgeschrieben wurde, schwarz auf weiß vor uns. Dabei können verschiedene Schreibmethoden zum Einsatz kommen. Ein Beispiel ist das „Expressive Schreiben“, dessen Wirkung bereits durch Studien belegt wurde.
Schon in den 80ern erforschte der Psychologe James Pennebaker das Potenzial des Schreibens als Therapeutikum und entwickelte das Expressive Schreiben ( expressive writing). Es ist eine standardisierte Methode zur Bewältigung von belastenden Lebensereignissen. Bei diesem Verfahren wird an drei aufeinanderfolgenden Tagen für 15 bis 20 Minuten über das belastende Lebensereignis geschrieben. Mit dem erneuten Durchleben von problematischen Situationen werden die damit verbundenen negativen Gefühle wieder durchlebt. Dies kann zunächst aufwühlend wirken. Auf lange Sicht gesehen wird die Auseinandersetzung mit belastenden Erfahrungen dennoch als hilfreich erlebt. Das Aufschreiben von Schicksalsschlägen kann somit eine Hilfe sein, mit dem Erlebten abzuschließen. Genauso kann es dem Gedankenkreisen um ein bestimmtes Thema entgegengewirkt. Das Schreiben wird zur Bewältigungsstrategie.
Zum Expressiven Schreiben als psychotherapeutische Technik liegen einige Studien vor. Beispielsweise befragten Barclay und Skarlicki (2009) 100 Angestellte zu Situationen im Berufsleben, die sie als ungerecht empfunden haben. Die Angestellten sollten danach über mehrere Tage hinweg die Gedanken und Gefühle zu diesen Situationen aufschreiben. Eine weitere Gruppe befasste sich mit neutralen Themen. Das Aufschreiben von Gedanken und Gefühlen zu den problematischen Situationen hatte sich im Vergleich positiv auf das psychische Wohlbefinden ausgewirkt. Die ProbandInnen empfanden weniger Ärger und konnten einen inneren Abstand zu den Ungerechtigkeiten einnehmen. In dem Grundlagenwerk zur “Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie“ von Prof. Dr. Dr. Christian Schubert werden weitere Studien zum Expressiven Schreiben ausführlich erläutert. Der Nutzen dieser Technik ist unter anderem davon abhängig, ob sich die Schreibenden wirklich mit ihren Gedanken und Gefühlen auseinandersetzen. Sowohl die kognitive als auch die emotionale Verarbeitung von Ereignissen sind dabei wichtig. Für Menschen mit schweren Depressionen, Psychosen oder Schizophrenie ist das Schreiben jedoch kontraindikativ, denn sie können Realität und Fiktion nicht mehr klar unterscheiden.
Der Einstieg in die individuelle Schreibpraxis, der auch von professionellen SchreibtherapeutInnen begleitet werden kann, sollte so ungezwungen wie möglich erfolgen. Es kommt nicht darauf an, geistige Ergüsse in wohlgeformte Sätze zu verwandeln, um die eigenen schriftstellerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Dies erzeugt nur unnötigen Druck. „Einfach schreiben“ ist die Devise; denn es geht dabei um Selbstfürsorge. Die eigene Kreativität entwickelt sich im zwanglosen Tun ganz nebenbei weiter. Bestimmte Leitfragen können den Einstieg zusätzlich erleichtern (Was hat mich in letzter Zeit sehr beschäftigt und bewegt?). Außerdem muss man nicht unbedingt lang und ausführlich über die eigenen Probleme schreiben. Neben klassischen Mitteln wie dem Tagebuchschreiben oder das Verfassen eines Briefs an Menschen, mit denen wir noch etwas zu klären haben, können Gedichte wie das Elfchen die Dinge kurz und knapp auf den Punkt bringen. Bei diesem Gedicht schreiben Sie elf Wörter zu einem Thema oder Gefühl in einer bestimmten Anordnung auf, die sie assoziativ und ohne langes Nachdenken wählen. Hier ein Beispiel:
Farben
werden Bilder
bringen den Stein,
den Anstoß ins Rollen
Erleichterung!
Probieren Sie es doch einfach mal aus.
Quellen:
Barclay und Skarlicki (2009): Healing the wounds of organizational injustice: Examining the benefits of expressive writing. (https://psycnet.apa.org/record/2009-02898-015)
Christian Schubert (Hrsg.) (2011): Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie. Schattauer Verlag. Stuttgart.
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